icon-symbol-logout-darkest-grey
This page is only available in German.

SFB 1671: Heimat(en). Phänomene, Praktiken, Darstellungen

Seit Mai 2021 existiert an der Universität Heidelberg eine Forschungsinitiative, die sich interdisziplinär der Aufgabe widmet, das aktuelle und immer wieder umstrittene Phänomen Heimat auf seine transkulturelle und historische Relevanz zu prüfen. Aus diesen Aktivitäten ist im Laufe des Jahres 2022 eine SFB-Initiative hervorgegangen, die in der ersten Hälfte 2023 die erste Hürde der DFG-Beratungsphase genommen hat und sich nun auf die Einreichung des Einrichtungsantrages vorbereiten darf. An der SFB-Initiative sind sieben Fakultäten und 24 Teilprojekte beteiligt.

Der von Christiane Wiesenfeldt (Musikwissenschaft) und Ludger Lieb (Germanistik) geleitete Forschungsverbund möchte verstehen und beschreiben, warum und wie Heimat einen selbstverständlichen Teil des menschlichen Weltverhältnisses einnimmt. Dazu werden die Vielfalt und die Dimensionen von Heimat ergründet und modelltheoretisch in historisch und transkulturell vergleichender Perspektive analysiert. Der deutsche Begriff Heimat weist eine komplexe Semantik auf, die sich seit der frühen Neuzeit vielfach verändert hat und keineswegs eindeutig ist, zumal sie von semantisch nahestehenden Begriffsfeldern (Heim, Haus, Zuhause, Ort, Gemeinschaft, Gemeinde, Land, Vaterland, Nation usw.) sowie seinen Verwandten in anderen Sprachen und Kulturen flankiert bzw. durchdrungen wird. Gerade wegen dieser Komplexität und Polysemie eignet sich Heimat als Ausgangs- und Bezugspunkt interdisziplinärer Forschungen auch jenseits des modernen deutschen Sprachraums. Untersucht werden Konzepte und Praktiken naturräumlicher und soziokultureller Verbundenheit in ganz verschiedenen gesellschaftlichen, medialen und kulturellen Kontexten. Dabei wird Heimat als dynamisches Modell verstanden, das von der Vormoderne bis in die Gegenwart präsent ist, beobachtet und analysiert werden kann.

Auf diese Weise wird Heimat für eine gemeinsame Forschungsleistung vieler geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen operationalisierbar: Von der Moderne bis ins Mittelalter und weit ins Altertum zurück erforschen die Geschichts-, Musik- und Kunstwissenschaften, die Theologie sowie Alt- und Neuphilologien die vielfältigen Phänomene sozialer und individueller Bindungen an territoriale Räume und soziale Gruppen sowie Praktiken der Beheimatung und Diskurse von Zugehörigkeit und Fremdheit; regionalwissenschaftliche Perspektiven (Area Studies) entwickeln transkulturelle Dimensionen und untersuchen spezifische Konstruktionen von Heimat etwa in Ost- und Südostasien, in Nord- und Iberoamerika und in Europa; aktuelle Konzepte und Dimensionen von Heimat diskutieren in diskursanalytischem oder empirischem Zugriff Soziologie, Ethnologie, Politikwissenschaft, Geographie und Rechtswissenschaft.

Indem das Forschungsprogramm die Modelltheorie zentral stellt, wird nicht nach überzeitlichen Merkmalen und auch nicht nach einer Geschichte des Begriffs von Heimat, sondern – anhand vielfältiger Modellobjekte – nach verschiedenen Auffassungen und multiplen Zugängen und ihren gemeinsamen Bezugspunkten gefragt. Damit wird eine Struktur angeboten, die es einerseits ermöglicht, im Zusammenspiel von geistes- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen die Vielfalt der Vorstellungen zu koordinieren, und die andererseits selbst ein wissenschaftlich fundiertes Modell von Heimat anbietet, das der interdisziplinären Auseinandersetzung eine gemeinsame Grundlage verschafft.

Seit dem Sommersemester 2022 lädt die Forschungsinitiative regelmäßig zu den öffentlichen „Heidelberger Heimatgesprächen“ ein.